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12.01.2020

Askese ist gut, Innovation ist besser

Der Klimawandel ist eine globale Herausforderung. Uber potenzielle Losungswege herrscht Uneinigkeit. Klar ist: Vielversprechend ist nur die Flucht nach vorn.

Fridays for Future hat recht. Der Klimawandel, die Erderwärmung, der Kollaps der ökologischen Gleichgewichte in den Ozeanen durch Mikroplastik oder Überfischung, die Zerstörung der Regenwälder durch Abholzung und Flächenbrände, die Rückkehr des Waldsterbens, die Ausrottung einzelner Tierarten – all das sind existenzielle Herausforderungen für die Menschheit. Die unumkehrbaren ökologischen Veränderungen gefährden das Überleben kommender Generationen. Die "Doomsday clock" – die Uhr, die anzeigt, wie viel Zeit noch vor dem Weltuntergang bleibt – steht auf zwei Minuten vor zwölf. Mitte des zurückliegenden Jahrhunderts war die Apokalypse noch sieben Minuten entfernt. Es wird eng werden, noch rechtzeitig zu reagieren und das Schlimmste abzuwenden. Die ökologischen Zukunftsrisiken ins Zentrum heutiger Diskussionen zu rücken, das Bewusstsein dafür zu schärfen sowie Verhaltensänderungen einzufordern, ist ein riesiger Verdienst der Fridays-for-Future-Bewegung.

Technologien statt Verbote

So überzeugend die Analyse ausfällt, so sehr bleibt jedoch auch zu hinterfragen, ob der zur Problemlösung eingeforderte Weg von "Verzicht und Verbot" wirklich die am meisten Erfolg versprechende und damit beste ökologische Gegenstrategie ist. Könnten nicht vielmehr Innovationen auf allen Ebenen – ökonomisch, gesellschaftlich und politisch, in Produktion und Konsum, beim Bauen und Heizen, im Zusammenhang mit Logistik und Mobilität – effizienter, effektiver und nachhaltiger den Klimawandel verhindern und die Umwelt schützen?

Eine "Verzichts- und Verbotsstrategie" verkennt, dass die überragende Mehrheit der Menschheit immer noch in Armut lebt und Opfer, nicht Verursacher des Klimawandels ist. Den Armen und Ärmsten das Hohelied von Askese und Entsagung zu singen, wirkt nicht nur ein wenig zynisch. Es verkennt komplett, was Menschen, die mit kaum mehr als dem Notwendigsten und oft mit noch weniger leben müssen, wirklich wichtig ist. Wer wenig oder nichts hat, will – meist mehr noch für die Nachkommen als für sich selbst – zuallererst ein besseres Leben mit mehr und nicht weniger Verbrauch, Mobilität und Genuss. Da kommt zwangsläufig die Ökonomie vor allem anderen. Erst wenn das Überleben sichergestellt ist, folgt die Ökologie – nicht nur in weniger entwickelten oder aufstrebenden Weltregionen. Es ist in den weniger wohlhabenden Teilen europäischer oder nordamerikanischer Gesellschaften nicht anders.

Einzig neue Technologien vermögen die Erwartung und den Anspruch von Milliarden Menschen auf ein besseres Leben mit der ökologischen Tragfähigkeit der Erde in Einklang zu bringen. Alles andere muss scheitern. "Verzicht und Verbot" sind keine Option für eine Welt mit einer bis in zehn Jahren von 7,7 auf 8,5 Milliarden – um ein Zehntel – und bis 2050 auf fast 10 Milliarden Menschen – um ein Viertel – anwachsenden Bevölkerung (so die aktuelle "mittlere" Prognose der Vereinten Nationen vom Juni 2019). Für eine Askese fehlen individuelle Einsicht und gesellschaftliche Akzeptanz. Und selbst wenn Einsicht und Akzeptanz gegeben wären, bliebe die Dynamik von ökonomischen Aufholeffekten und demografischem Wachstum stärker als die ökologischen Bremseffekte von Verboten und Verhaltensänderungen. In Summe aller Effekte wäre der Klima- und Umweltkollaps nicht mehr zu verhindern.

Der Norden ist in der Pflicht

Um es klipp und klar auszudrücken: Der Norden der Welt hat auf seinem langen Weg zu Wohlstand insbesondere in den vergangenen hundert Jahren der Menschheit schwerwiegende ökologische Risiken heraufbeschworen. Nun ist es auch seine Pflicht, die damit einhergehenden Herausforderungen zu bewältigen und gleichzeitig dem Süden zu mehr Wohlstand für alle zu verhelfen – allerdings ohne mehr Erderwärmung und Umweltbelastung. Bessere Technologien sind deshalb die stärkste, beste und wohl einzige Strategie für nachhaltigen Erfolg.

Wenn dem Norden als Antwort auf die ökologischen Zukunftsherausforderungen nur "Verzicht und Verbot" einfallen, ist das schlicht blamabel und eine Bankrotterklärung der Innovationspolitik. Dafür gibt es keine handfeste Berechtigung. Ein defensives pessimistisches Umschalten in den Rückwärtsgang entspricht in keiner Weise dem heutigen Forschungsstand von Wissenschaft und Technik und der immensen Fülle des aktuellen technologischen Wissens.

Die Forderung nach Askese und Umkehr strotzt von Zukunftspessimismus und Technologiefeindlichkeit. Sie wird in keiner Weise der Intelligenz, dem Wissen, dem Mut und der Aufbruchsstimmung einer so klugen wie engagierten Fridays-for-Future-Bewegung gerecht. Vielmehr entspricht sie einem sonst vor allem bei Älteren weitverbreiteten Vorurteil, dass kommende Generationen nicht in der Lage seien, mit Neugier und Verstand, Kreativität und Risikofreude, künstlicher Intelligenz und klugen Algorithmen auf allen Ebenen und in jeder Alltagssituation komplett neue, pfiffige, smarte, grüne Problemlösungen zu entwickeln.

Flucht nach vorn

Dabei kennt niemand die grandiosen Chancen von Digitalisierung und Datenökonomie besser als die nachrückende Generation. Sie weiß oder wird herausfinden, wie sich auf breiter Front die Produktivität auf allen Ebenen steigern lässt, wie die Fabrikationsprozesse entlang der Wertschöpfungsketten zu optimieren sind und wie man mit weniger ökologischem Aufwand mehr Menschen mit mehr ökonomischem Wohlstand versorgen kann. Oft sind es die Bedenken der Alten und nicht die Fähigkeiten der Jungen von heute, die Zweifel schüren, dass die Generationen von morgen so intelligent und innovativ sein werden, wie es die Vorfahren waren.

Nüchtern und unideologisch betrachtet, bleibt somit mehr denn je gültig, was lang schon gilt: Askese mag gut sein, Innovation ist besser. Einzig eine Flucht nach vorn zu neuen Technologien, nicht jedoch ein Zurück zu alten Denkweisen der Vergangenheit sichert den Kindern und Kindeskindern in einer Welt mit bald einmal 10 Milliarden Menschen das Überleben in Wohlstand und im Einklang mit Klima und Umwelt.

Thomas Straubhaar in: Liberal 01.2020, S. 42 ff

 
 
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