Eine Fragestunde sollte Klarheit bringen im Fall der Asbest-Funde an der Timmendorfer GGS-Strand, die die Verwaltung monatelang geheim hielt. Doch bei vielen Eltern blieben angesichts wenig konkreter Antworten Frust und Unsicherheit.
Timmendorfer Strand
Enttäuscht und ratlos zeigten sich Eltern nach der Timmendorfer Gemeindevertretersitzung vom Dienstagabend. Sie hatten auf Antworten gehofft im Fall der Asbest-Funde an der Grund- und Gemeinschaftsschule (GGS) Strand Europaschule, von denen die Führungsspitze der Verwaltung seit Monaten wusste, ohne die Öffentlichkeit und die Kommunalpolitiker zu informieren. Doch in der extra anberaumten Gesprächsrunde während der Sitzung ließen der Gutachter und die Leiterin des Bauamtes viele Fragen unbeantwortet. Bürgermeister Robert Wagner (parteilos) hatte sich am Montag krankgemeldet und blieb der Sitzung fern.
Gutachter sollte die Fragen der Eltern beantworten
"Ist die Gesundheit unserer Kinder gefährdet?" "Wie hoch sind die Belastungen?" "Warum wurden wir nicht informiert?" Das waren einige der Fragen, die die Eltern - und Großeltern - der insgesamt 537 Schüler der GGS Strand auf der Sitzung im Hotel "Seeschlösschen" klären wollten. Geladen war auf einen Dringlichkeitsantrag aller Fraktionen hin der Ingenieur Eberhard Franke, den die Gemeindeverwaltung im Juni dieses Jahres mit einem Gutachten über eine mögliche Schadstoffbelastung in der GGS beauftragt hatte.
Laut Frankes Gutachten stecken in zahlreichen Bodenplatten in den Räumen der GGS-Gebäude Poststraße 36a und 36c asbesthaltige Fasern. Etliche Deckenplatten enthalten Dämmmaterial mit künstlichen Mineralfasern (KMF), von denen die älteren als krebserzeugend eingestuft werden. Die Ergebnisse dieses Gutachtens übermittelte Franke der Gemeindeverwaltung Anfang September, ein Gespräch darüber führte er mit Verwaltungsmitarbeitern am 6. September. Doch anstatt die Schulleitung, die Eltern und die Kommunalpolitik zu informieren, wurde laut einem internen Aktenvermerk "vorerst Stillschweigen vereinbart".
"Eine akute Gefahr besteht nicht, die Stoffe sind fest gebunden"
Allein 680 Quadratmeter Bodenplatten seien betroffen, erklärte der Gutachter nun am Dienstagabend auf Nachfrage eines besorgten Vaters. Eine akute Gefahr bestehe aber nicht: "Die Stoffe sind fest gebunden, bereits abgebrochene Ecken wurden versiegelt." Zudem befinde sich die KMF-Dämmung oberhalb der abgehängten Decken.
Als zufriedenstellend empfanden die Besucher Frankes Antworten offenbar nicht, und auch Christina Bonke, die seit September 2019 das Timmendorfer Bauamt leitet, hatte keinen leichten Stand. Sie berichtete unter anderem von einer weiteren Materialprobe, bei der die Untersuchungsergebnisse erst Ende Oktober vorgelegen hätten, von einem Termin mit der Schulleitung Ende November und von einer Malerfirma, die Bruchstellen mit Harz versiegeln sollte, diesen Auftrag dann aber abgelehnt habe.
Raumluftmessung "nicht zwingend erforderlich" gewesen
"Bei einer Belastung würde ich die Räume sofort sperren lassen", versicherte Bonke, doch davon sei nicht auszugehen. Eine Raumluftmessung sei nicht zwingend erforderlich gewesen. In dem internen Aktenvermerk steht jedoch: "Herr Franke empfiehlt eine umgehende Sanierung der Räume mit asbesthaltigen Platten, da nicht ausgeschlossen werden kann, dass die Platten aufgrund des Alters spröde sind, bei Belastungen beschädigt und Asbestfasern freigesetzt werden können." Er lege jedoch "keine Dringlichkeitsstufe" fest.
Vertrauen in den Bürgermeister sei "erheblich belastet"
Erbost äußerten sich auch die Timmendorfer Gemeindevertreter. Bürgervorsteherin Anja Evers (CDU) verlas eine gemeinsame Erklärung aller Fraktionen. Am Verhalten der Verwaltungsspitze kritisieren die Kommunalpolitiker das "Verkennen der Dringlichkeit, das Zurückhalten von Informationen und das Unterlassen von einleitenden Maßnahmen, die Aufschluss über das Ausmaß einer möglichen Gesundheitsgefährdung von Schülern und Lehrern geben". Sie üben scharfe Kritik an der "fehlenden Kommunikation der Verwaltung und sind vom Verhalten des Bürgermeisters Wagner in diesem Sachverhalt enttäuscht". Das Vertrauen sei "erheblich belastet".
Für Unverständnis sorgte zudem die Information, dass offenbar mittlerweile Mitarbeiter des Bauhofes Risse in den Bodenplatten mit Folie abgeklebt haben. "Für Arbeiten mit Asbest braucht man immer Spezialisten", gab Wolfgang Hargus (BBNP), Inhaber eines Holzbaubetriebes, zu bedenken. "Es kann doch nicht sein, dass dort jetzt Bauhof-Mitarbeiter herumwurschteln müssen." Ob die Gesundheit dieser Mitarbeiter gefährdet gewesen sei, wollte Gabriela Eckert (SPD) wissen. Klare Antworten gab es darauf nicht.
Sind die Räume der Kita "Quieselhaus" auch betroffen?
"Es geht hier um Kinder, für die die Gemeindeverwaltung verantwortlich ist", appellierte Elisabeth Lund, Beauftragte für Menschen mit Behinderung in der Gemeinde und Seniorenbeiratsvorsitzende. "Was ist mit der Kita Quieselhaus?", hakte eine Mutter nach - die Kita ist ebenfalls in der Poststraße 36c untergebracht. "Was ist, wenn neue Risse entstehen?", erkundigte sich eine andere. "Gibt es einen Plan B, falls die Schule geschlossen werden muss?", lautete eine weitere Frage, die weitgehend offen blieb.
"Unbefriedigend" sei die Fragestunde gewesen, meinte Mona Reuter, eine der Mütter, im Anschluss. "Hier wird herumgeschlingert. Eine eindeutige Analyse wäre jetzt der richtige Weg", sagte Thomas Weinknecht, der zwei Söhne an der GGS hat. "Mein Sohn betritt die Schule nicht mehr, bis die Ergebnisse der weiteren Untersuchungen vorliegen", erklärte Marc Baade kategorisch.
Weitere Untersuchungsergebnisse könnten am Freitag vorliegen
Das könnte möglicherweise am Freitag, 20. Dezember, der Fall sein, nachdem vor kurzem Staubproben in der GGS genommen wurden. Luftmessungen sollen zudem Anfang des nächsten Jahres erfolgen. Im Haushalt der Gemeinde sind für 2020 bislang 440.000 Euro für den Unterhalt von GGS und Ostsee-Gymnasium eingeplant. Weitere Mittel könnten kurzfristig in einen Nachtragshaushalt gestellt werden, erklärten die Kommunalpolitiker. Sollte keine akute Gefahr bestehen, würden die betroffenen Räume der GGS in den Sommerferien 2020 saniert werden.
Am Ende der Debatte gab es noch einige versöhnliche Worte für Gutachter Franke und Bauamtsleiterin Bonke. "Der Unmut gegen Sie ist nicht gerechtfertigt", meinte Gemeindevertreter Sven Partheil-Böhnke (FDP). "Sie bekommen den ganzen Druck ab, der sich gegen den Bürgermeister richtet - und dieser ist nicht hier, um Fragen zu beantworten."
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